Arbeitszeugnis Formulierungen in der Schweiz: Beispiele und deren Bedeutung
“Vermeintlich gute Aussagen enthalten eine negative Bewertung”
1. August 2024

Gordon A. Vahldiek
Du hast dein Arbeitszeugnis erhalten, und es wirkt zunächst sehr positiv, was dich zufriedenstellt. Dennoch ist es wichtig, das Zeugnis auf versteckte Formulierungen zu prüfen, die zwar positiv klingen, jedoch oft eine gegenteilige Bedeutung haben können.
Der Grund dafür liegt in den gesetzlichen Anforderungen, die vorschreiben, dass Arbeitszeugnisse nicht nur wahrheitsgemäß, sondern auch wohlwollend verfasst sein müssen. Dadurch hat sich im Laufe der Zeit eine spezielle Geheimsprache in Arbeitszeugnissen entwickelt.
Da dein Arbeitszeugnis eine wichtige Rolle für deine zukünftige Jobsuche spielt, empfehlen wir, es von einem Experten gründlich analysieren und interpretieren zu lassen. Unten findest du eine Übersicht über die gängigsten Formulierungen, die dir dabei helfen können, eine erste Einschätzung vorzunehmen.
Versteckte Formulierungen und Geheimsprache im Arbeitszeugnis:
Bei der Gesamtbewertung der Aufgabenerfüllung erscheinen gerne folgende fünf Aussagen, die einer Schweizer Schulnote entsprechen:
Note 6 „Er/Sie erledigte die Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit.“
Note 5: „Er/Sie erledigte die Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit.“
Note 4: „Er/Sie erledigte die Aufgaben zur vollen Zufriedenheit.“
Note 3: „Er/Sie erledigte die Aufgaben stets zur Zufriedenheit.“
Note 2: „Er/Sie erledigte die Aufgaben im Grossen und Ganzen zur Zufriedenheit.“
An diesem ersten Beispiel erkennst Du bereits, dass vermeintlich gute Aussagen eine negative Bewertung enthalten. Hier geht es um kleine Feinheiten in der Bewertung, die Deine Leistung von sehr gut bis mangelhaft bewerten, ohne dabei augenscheinlich negativ zu wirken.
“Passive Aussagen können auf mangelnde Initiative oder Faulheit hinweisen”
Weitere typische Beispiele, an denen Du die Bewertung analysieren kannst, sind folgende Floskeln:
Sehr gut:
- „Er/Sie wurde wegen des freundlichen Wesens sowie der kollegialen Haltung bei Vorgesetzten und Mitarbeitern sehr geschätzt.”
- „Er/Sie hat stets den Erwartungen in jeder Hinsicht und allerbester Weise entsprochen.”
- „Er/Sie erzielte stets herausragende Arbeitsergebnisse.”
Gut:
- „Sein/Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern war einwandfrei”
- „Er/Sie hat den Erwartungen in jeder Hinsicht und bester Weise entsprochen.”
- „Er/Sie zeigte stets überdurchschnittliche Arbeitsqualität.”
Befriedigend:
- „Die Zusammenarbeit mit Vorgesetzten und Mitarbeitern war gut”.“
- „Er/Sie er hat unseren Erwartungen in jeder Hinsicht entsprochen.“
- „Die Arbeitsqualität war überdurchschnittlich.“
Ausreichend:
- „Sein/Ihr persönliches Verhalten war insgesamt einwandfrei.“
- „Er/Sie hat unseren Erwartungen entsprochen.“
- „Die Arbeitsergebnisse entsprachen den Anforderungen.“
Mangelhaft:
- „Das persönliche Verhalten war insgesamt einwandfrei.“
- „Er/Sie hat unseren Erwartungen weitestgehend entsprochen.“
- „Er/Sie bemühte sich im Allgemeinen den Anforderungen zu entsprechen.“
Doch neben diesen Phrasen solltest Du auch darauf achten, ob folgende Verschlüsselungen oder Codes in Deinem Arbeitszeugnis erscheinen:
- Passive Sätze: Diese können auf mangelnde Initiative oder Faulheit hinweisen.
- Fehlende Informationen: Auslassen von Tätigkeiten und Leistungen Deines Jobs und Fokus auf unwichtige Informationen
- Fehlende Abschlussformel: Das Fehlen wird als negatives Zeichen gewertet. Wichtig ist hier, dass auch diese eine Wertung von sehr gut bis mangelhaft enthalten kann.
Weiterhin gibt es auch Formulierungen, die nicht nur einer Wertung gleichen, sondern dem zukünftigen Arbeitgeber verschlüsselt zusätzliche Informationen über Dich geben. Beispielsweise:
- „Er/Sie war in der Lage, seine/ihre eigene Meinung zu vertreten.” (= Die Person kann nicht mit Kritik umgehen.)
- „Für die Belange der Belegschaft bewies er/sie immer Einfühlungsvermögen.” (= Die Person suchte sexuelle Kontakte im Kollegenkreis.)
- „Er/Sie verstand es, seine/ihre Interessen mit denen des Unternehmens in Einklang zu bringen.” (= Die Person hat sich auf Kosten des Unternehmens bereichert.)
Du merkst, es ist nicht einfach, ein Arbeitszeugnis zu analysieren. Lade Dir deswegen auf jeden Fall unsere gratis 10-Punkte-Checkliste herunter, mit der Du Dein Arbeitszeugnis ganz einfach selbst prüfen kannst.
Wie erkenne ich versteckte Formulierungen im Arbeitszeugnis?
Versteckte Formulierungen in Arbeitszeugnissen können oft auf den ersten Blick harmlos erscheinen, doch du solltest ihnen besondere Aufmerksamkeit schenken. Achte darauf, dass bestimmte Wörter oder Phrasen in einem positiven Licht dargestellt werden, während sie subtextuelle negative Aspekte verschleiern.
Ein Beispiel hierfür ist die Aussage „Er/Sie hat stets versucht, seine/ihre Aufgaben zu erfüllen.“ Anstelle von echtem Lob deutet dies oft auf häufiges Versagen oder unzureichende Leistung hin. Ein weiterer Hinweis kann die Formulierung „Er/Sie war immer bemüht, das Beste zu erreichen“ sein, was in Wahrheit oft impliziert, dass die Resultate hinter den Erwartungen zurückblieben.
Achte auf Ausdrucksweisen wie „zur vollsten Zufriedenheit“ versus „zur Zufriedenheit“. Während ersteres echtes Lob darstellt, bleibt letzteres häufig hinter den Standards zurück. Indem du diese versteckten Formulierungen erkennst, kannst du die tatsächliche Bedeutung eines Arbeitszeugnisses besser einschätzen und mögliche negative Aspekte frühzeitig identifizieren.
Welche Bedeutung hat die Schlussformel?
In einem Arbeitszeugnis spielt die Schlussformel eine entscheidende Rolle für die Gesamtbewertung des Mitarbeiters. Diese finale Bemerkung gibt nicht nur eine abschließende Einschätzung zu den Leistungen und dem Verhalten, sondern wirkt auch als zusammenfassendes Statement zur Zusammenarbeit. Eine wohlwollende Schlussformel signalisiert Wertschätzung und kann zukünftige Arbeitgeber positiv beeindrucken.
Jedoch ist nicht nur der Wortlaut entscheidend. Oft enthalten diese Formulierungen versteckte Botschaften, die durch den Kontext geprägt sind. Eine neutrale Schlussformel könnte beispielsweise darauf hinweisen, dass der Mitarbeiter zwar gut gearbeitet hat, aber vielleicht nicht außergewöhnlich herausgestochen hat. Solche Botschaften gilt es, zu entschlüsseln, um ein vollständiges Bild zu bekommen.
Die Auswahl der Worte in der Schlussformel kann somit bei Personaler*innen für hochgradig unterschiedliche Interpretationen sorgen. Bei der Bewertung sollte daher nicht nur auf die direkten Aussagen geachtet werden, sondern auch auf das, was zwischen den Zeilen steht.
Was sollte auf keinen Fall in einem Arbeitszeugnis stehen?
Ein Arbeitszeugnis sollte stets professionell und objektiv formuliert sein, weshalb persönliche Verhaltensweisen keine Erwähnung finden sollten. Es ist entscheidend, dass Informationen, die den Charakter oder die Persönlichkeit betreffen, nicht im Dokument auftauchen. Dies schützt die Privatsphäre und vermeidet negative Vorurteile.
Auch Tätigkeiten als Betriebsrat sollten lediglich in der Funktion als solche dokumentiert werden. Persönliche Meinungen oder Wertungen haben hier keinen Platz. Jeder Mitarbeiter hat das Recht, unabhängig von seiner Rolle im Betriebsrat, fair beurteilt zu werden.
Der Gesundheitszustand ist ein ebenso sensibles Thema. Informationen über Schwangerschaft oder Krankentage dürfen nur im Kontext stehen, wenn sie einen direkten Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit haben. Diese Daten sind vertraulich und sollten daher nicht in einem Zeugnis aufgeführt werden.
Strafrechtliche Aspekte, die nicht das Arbeitsverhältnis betreffen, sind in einem Arbeitszeugnis ebenfalls unzulässig. Alles, was nicht in direktem Zusammenhang mit der beruflichen Leistung steht, hat nichts in diesem Dokument verloren. Achte darauf, dass dein Zeugnis wirklich deinen beruflichen Werdegang widerspiegelt.
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- Unvorteilhafte Codes, die Dir schaden könnten
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